jahre anfallsfrei - heute grand mal
:(
Jetzt liegt er im Bett und ich muss es mir von der Seele schreiben.
Vier Jahre waren "wir" anfallsfrei, dann heute wieder ein markerschütternder Schrei - das Hinstürzen und Versuch, ihn aufzufangen, wenigstens den Kopf. Sekunden, die wie Minuten vergehen, während er krampft. Tausend Gedanken, die mir durch den Kopf schiessen, während ich versuche, seinen Kopf so gut es geht zu schützen. Die beiden aufdringlichsten Gedanken: "Scheisse" - und - "wie komme ich an ein Kissen, ohne ihn allein zu lassen".
Er wird "ruhig" und ich schnappe mir zwei Sofakissen - nun wieder Schlagen mit den Händen. Dass er gegen den Schreibtisch schlägt kann ich nicht verhindern, aber dass er sich selber an den Kopf schlägt. Die Beine bewegen sich "relativ" ruhig. Hat das Stöhnen jetzt begonnen, oder schon länger? Jetzt nehme ich es mehr wahr. Die Augen sind nicht mehr so weit aufgerissen. Er will irgendwem etwas mitteielen, scheint es, aber ich versteh kein Wort. Wenn ich etwas sage, antwortet er erst unverständlich. Ich wiederhole, dass ich ihn lieb hab und dass er einen Anfall gehabt hat. Als es verständlicher wird, was er sagt, sagt er hauptsächlich nur "was", "was ist los". Ich wiederhole weiterhin, dass er einen Anfall gehabt hat.
Einige Zeit später, Versuche von´ihm, sich zu bewegen. Ich frage, ob er ins Bett gehen möchte. Er: "Nein." Ich: "Du liegst auf dem Boden, im Bett ist es bequemer." Frage und Antwort von "Was ist los" - "Du hast einen Anfall gehabt" beginnen erneut.
Er steht mit Hilfe eines Hockers und mit meiner Hilfe, die er nicht unbedingt will, auf. Stolpert beinahe über die Hasenabsperrung, weil er unbedingt diesen Weg gehen will. Ich konnte ihn nicht überzeugen, andersrum zu gehen. Im Bett angekommen, macht er einen klareren Eindruck, fragt nach seinem Sprudel. Er weiss jetzt auch, dass er einen Anfall gehabt hat.
Ich stelle einen Eimer bereit, er klagt über Kopfschmerzen - ich bleibe bei ihm, bis er eingeschlafen ist und sag ihm, wie lieb ich ihn habe.
Wenn er später aufwacht, wird er sich wundern, warum er im Bett liegt und so starke Kopfschmerzen hat, warum ein Eimer neben dem Bett steht. Für dies mal ein letztes mal werde ich ihm sagen, dass er einen Anfall gehabt hat. Ab dem Aufwachen wird er dann meine Angst teilen, dass es nicht ein einzelner Anfall war, sondern wieder eine Serie beginnt. Er ist heute 36. Die letzten 4 Jahre waren anfallsfrei. Davor das Jahr war ein sehr schlimmes Jahr, davor eine andere Phase von 7 anfallsfreien Jahren ...
Ich suche unser Zwergkaninchen, das sich irgendwo völlig verschrekct versteckt hat. Einige beruhigende Worte locken es wieder hervor. Ich überlege, wen ich anrufen kann, um meine Gedanken loszuwerden - und setze mich nach einiger Überlegung lieber ans Internet und schreibe diesen Text ...