Tipps für Umgang als Angehöriger

Seifenblase, Monday, 08.02.2021, 18:45 (vor 1165 Tagen)

Hallo, ich bin neu hier und hoffe vllt "Hilfe" zu finden. Ich wohne nun mit meinem Partner zusammen welche an Epilepsie erkrankt ist. Ich wuste natürlicher bevor wir zusammen gezogen sind das er Epilepsie hat. 2 anfalle habe ich bis jetz mitbekommen, einen am Morgen, einen am Abend. Vorweg er ist schon länger in Behandlung und geht regelmäßig zum Arzt und ins Epilepsie Zentrum. Nach dem 1 Anfall war alles gut und ich hatte keine Probleme, natürlich habe ich sowas noch nie mitbekommen gehabt und es ist komplettes Neuland für mich. Allerdings nach dem 2 Anfall geht's mir nicht so gut damit. Der Anfall kam komplett unerwartet in der Nacht und ich bin wach geworden weil mein Partner neben mir geredet und gekaut hat. Ich hab mich wahnsinnig erschrocken und seit diesem Anfall habe ich ziemliche Angst vor der Situation das er wieder einen bekommt Vorallem nachts. Ich bekomm sofort Angst wenn er sich nachts dreht und anfängt zu kauen, da bin ich sofort hell wach weil ich denke "oh Gott gleich hat er einen" ich weiß auch nicht warum ich erst nach dem 2 so eine Angst hab. Ich hab nicht sorge an sich vor dem Anfall sondern eher vor ihm, wie er danach ist vom Verhalten und wie er mich mit großem Augen anschaut bevor er mit Krampfen geht. Allerdings fühlt er sich verständlicherweise auch schlecht weil er denkt das ich Angst vor ihm hab. Gibt's hier betroffene die Tipps haben besser damit umzugehen, das ist alles Neuland für mich, wir haben uns zwar drüber unterhalten aber so richtig weiß ich garnicht wohin mit mir wenn ein Anfall kommt. Und ihn verlassen kommt für mich auf keinem Fall in Frage

Tipps für Umgang als Angehöriger

EiEiEi, Tuesday, 09.02.2021, 16:37 (vor 1165 Tagen) @ Seifenblase

Hallo!

Zunächst einmal möchte ich dir meinen größten Respekt und Wertschätzung aussprechen, dass du trotz zwei Anfällen und deinen damit verbundenen Ängsten nicht in Betracht ziehst, ihn (ich beziehe mich jetzt einfach immer auf "der Partner", daher das Maskulinum) zu verlassen. Das ist keine Selbstverständlichkeit (wie ich und wahrscheinlich auch viele andere wissen) und zeugt von großer Charakterstärke!

Zu deinen Fragen:
Dass du mit ihm redest und ihr offen über die Epilepsie kommunizieren könnt, ist die Grundlage. Auch wenn es noch so oft ist, rede lieber mit ihm drüber, als zu denken, du musst mit deinen Gefühlen/Ängsten alleine klarkommen. Und vor allem muss er wissen (und ich bin mir sicher, dass er das in sich weiß), dass du keine Angst vor ihm hast, wie man vor einem Monster oder so hast, sondern dass (wenn ich dich richtig verstehe) du Angst vor der Situation hast.
Ich habe selbst auch schon Anfälle bei anderen mitbekommen und weiß genau, was du meinst. Das ist einfach gruselig. Nun scheint er ja nicht häufig Anfälle zu haben. In dem Fall Fluch und Segen: Einerseits wirst du nicht häufig mit der Situation konfrontiert, andererseits kannst du dich dann auch nicht daran "gewöhnen".
Was helfen kann, ist, wenn du eine Routine abspulst, d.h.: Wenn es zum Anfall kommt, gehst du immer wieder die gleichen Schritte durch. Z. B. Gefahrenquellen beseitigen, auf die Uhr schauen, um Dauer des Anfalls zu messen, nach Ende des Krampfens was zu trinken bringen, sowas. Dann bist du damit beschäftigt und denkst nicht wirklich über das nach, was gerade passiert. Plus du hilfst deinem Partner, indem er/ihr den Überblick habt, falls sich etwas in der Länge der Anfälle verändert. Und wenn alles rum ist, nimm ihn einfach in den Arm, red mit ihm (vollkommen egal was), gib ihm das Gefühl von Sicherheit. Dann wird er sich entspannen und du dich ebenso. Ihr findet dann sozusagen gemeinsam in den "Normalzustand" zurück und ich denke, das kann dir helfen. Besonders wenn die Anfälle nachts sind. Selbst habe ich nur tagsüber Anfälle, aber wenn ich da schon so desorientiert bin, ist es nachts wahrscheinlich noch schlimmer.
Ich weiß natürlich nicht, wie es bei deinem Partner ist, aber vermutlich wird er nach so einem Anfall auch erschöpft sein und schlafen. Dann findet die Situation sozusagen einen Abschluss.

Was deine Empfindlichkeit für nächtliche Geräusche oder Ähnliches angeht: Da weiß ich leider nicht weiter, aber würde einfach mal davon ausgehen, dass sich das wieder von alleine legt, wenn dein Kopf merkt, dass nicht jede Bewegung/jedes Geräusch=Anfall(sbote) ist.

Ich hoffe, dir ein bisschen weitergeholfen zu haben.

Liebe Grüße und alles Gute!

Johannes

Tipps für Umgang als Angehöriger

sandytimmy, Tuesday, 09.02.2021, 20:46 (vor 1164 Tagen) @ Seifenblase

Hallo
Das hängt natürlich ein wenig vom anfallstyp, der anfallsart ab
Ich habe komplex fokale Anfälle, in der Regel 1-2 in der Woche

Mein Mann macht das auch fast perfekt
Indem er alles normal macht. Wie bei nicht epileptikern
Ich tu und lasse alles was im Alltag anfällt.
Ich geh oder fahre wohin ich will, sowohl alleine als auch mit jmd.
Bloß ohne auto
Koche, geh einkaufen, in den Keller usw
Alles was normal anfällt.

Die epilepsie spielt nur eine Rolle in dem Moment wo der Anfall da ist und danach weil ich dann nicht so 100%ig leisten kann.
Sie nervt halt nur.
Wenn ich merke dass irgendwer der mich nicht kennt mich Bevormundet, wie ein Kind oder geistig behinderten behandelt und einem alles abnehmen will, kläre ich das höflich dass ich ein ganz normales Leben führe.
Lässt derjenige das nicht bitte ich nochmal darum und meide solche Leute
Und auch wichtig, wenn jmd Fragen hat soll er sie stellen. Ich kläre darüber auf. Vor allem dass nicht jeder epilepsie Typ so wild krampfend und stürzend ist wie im TV zu sehen

Immer dran denken
Man lebt mit der epilepsie, nicht für sie

Ich habe mit 43, 41 Jahre Anfälle hinter mir. Daher bin ich so locker


Also das wichtigste
So normal leben wie möglich

Tipps für Umgang als Angehöriger

dieter, Tuesday, 02.03.2021, 08:40 (vor 1144 Tagen) @ sandytimmy
bearbeitet von dieter, Tuesday, 02.03.2021, 08:47

Unsere Angehörigen sind einem hohen seelischen Druck ausgesetzt. Sie denken oft, mit Liebe geht das. Dieser Satz sagt eigentlich alles darüber, was es heißt, mit einem epilepsiekranken Menschen zusammen zu sein. Das Gefühl, nicht helfen zu können und am Ende mit der eigenen Liebe nicht stärker zu sein als die Dämonen einer Krankheit, ist vielleicht das schlimmste daran. Es ist dieses Ausgeliefertsein, was auch erklärt, warum so viele Angehörige fast immer an unberechtigten Schuldgefühlen leiden. Sie stehen Situation gegenüber, der sie nicht gewachsen sind. Hier wäre psychotherapeutische Hilfe sehr wichtig, aber die meisten meinen es alleine schaffen zu können. Auf Dauer kann das die Angehörigen sogar selbst psychisch krank machen. Angehörige haben es in vielfacher Weise nicht leicht. Aber auch ein gewisses loslassen wäre hier angebracht,denn auch epilepsiekranke Menschen sollten eine gewisse Selbstständigkeit haben. Es kommt natürlich auf die Art und Häufigkeit der Anfälle an. Weniger Angst und mehr Selbssicherheit ist für beide Seiten gut und lässt die Angt kleiner werden. Denn Epilepsie ist kein Weltuntergang. Ich speche hier aus eigener Erfahrung, meine Frau brauchte auch sehr lange bis sie diesen Schritt wagte und es hat sich gelohnt. Wir beide wurden viel entspannter.
Liebe Grüße
Dieter

Tipps für Umgang als Angehöriger

Mika, Monday, 01.03.2021, 20:54 (vor 1144 Tagen) @ Seifenblase

Hallo,
ich als Angehörige kann deine Unsicherheit verstehen. Nach den ersten Anfällen habe ich meinen Sohn sehr genau beobachtet. Dinge, die für ihn bisher selbstverständlich waren und weiter selbstverständlich sind (schwimmen gehen, Fahrradtouren...) haben bei mir Ängste ausgelöst. „Was ist, wenn jetzt etwas passiert und er allein ist?“ - sind Gedanken, die nur schwer abzustellen sind. Bei Anfällen hat mir die Routine wie oben beschrieben (Hindernisse wegräumen, auf die Uhr schauen...) geholfen. Jetzt mittlerweile bin ich ruhiger, was die allgemeine Situation angeht. Bei jedem Anfall kommt die Angst nochmal etwas wieder. Aber er lebt mit der Epilepsie, er kommt gut damit zurecht und lässt sich nicht davon unterkriegen. Daher versuche ich das auch.
Manchmal hilft der Austausch mit dem eigenem Partner oder auch mit anderen Angehörigen. Ich fand es gut, mich mit anderen Eltern auszutauschen und zu merken, dass die Fragen oder auch Sorgen normal sind. Das hat mich sehr beruhigt.
Euch weiterhin alles Gute. :-)