Zweite Gehirn OP. Was würdet ihr an meiner Stelle machen?

M., Monday, 18.03.2024, 13:56 (vor 42 Tagen)

Bei mir wurde vor 6 Jahren Epilepsie diagnostiziert, welche Anfangs mit allen Möglichen Medikamenten behandelt wurden, diese aber mit jeglicher Dosis nie wirklich gewirkt haben. Daher wurde ich vor 3 Jahren am Gehirn operiert und mir wurde der linke Schläfenlappen entfernt. Danach wurden die Medikamente noch nicht abgesetzt und ich hatte keine Anfälle mehr.

Nach ca. einem halben Jahr kamen jedoch wieder die ersten Anfälle und das auch immer regelmäßiger. Zwar nicht so stark wie davor, aber trotzdem waren sie noch da. Daraufhin habe ich wieder neue Medikamente bekommen, welche auch nicht gewirkt haben.

Dadurch wurde ich nochmal für mehrere Wochen in eine Klinik geschickt, wo wieder mit jedem möglichen Verfahren nach Lösungen gesucht wurde. Unter anderem sollte eine Lösung eine zweite Gehirn OP sein.

Bei dieser soll der linke Hippocampus entfernt werden, welcher sozusagen der Zwischenspeicher für verbales ist, was dann im Schlaf verarbeitet wird. Zudem habe ich auch ein neues Medikament bekommen, welches ganz gut wirkt. Seit dem ich es nehme (5 Monaten) hatte ich nur einen Anfall.

Als ich nach dem Aufenthalt in der Klinik den Arztbrief erhalten habe, wurde mir die bereits erwähnte OP empfohlen. Als ich dann kürzlich einen Termin mit dem Epileptologen hatte, sagte er dass es natürlich meine Entscheidung wäre ob ich die OP durchführen möchte, er aber noch warten würde, da die Medikamente bis jetzt wirken.

Jetzt weiß ich aber nicht, was ich machen soll. Die Medikamente wirken zwar bis jetzt ganz gut, aber mein restliches Leben möchte ich auch nicht an diesen Medikamenten hängen. Meine Leber ist jetzt schon ziemlich beeinträchtigt. Zudem kann sich mein Körper gegen den Wirkstoff auch immunisieren, was bei einem anderen Medikament bereits passiert ist.

Die OP allerdings kann mit einer 5%igen Chance krasse Risiken mit sich bringen. Dazu zählt Sprachverlust, Lähmung, Gedächtnisstörungen und noch kleinere weitere Dinge. Das kann sich aber bis ich 25 Jahre alt bin wieder heilen und zurückbilden, da sich das Gehirn bis dahin immer weiterentwickelt. Wenn ich also vorerst die OP nicht machen würde, es aber danach wieder zu Anfällen kommen sollte, und ich vielleicht mit 30 die OP machen würde, könnten noch mehr Risiken aufkommen und Heilungschancen geringer werden.

Allerdings können bis dahin auch neue Methoden erforscht werden, wie man die Epilepsie "besiegen" kann. Wissen kann man es aber nie!

Durch die ganzen Vor- und Nachteile beider Seiten weiß ich nicht mehr weiter. Habt ihr vielleicht Erfahrung und könnt mir weiterhelfen?

Zweite Gehirn OP. Was würdet ihr an meiner Stelle machen?

Anton, Monday, 18.03.2024, 18:49 (vor 41 Tagen) @ M.

Hallo,

und herzlich willkommen bei uns im Forum. Die Frage, ob eine weitere Operation von Erfolg sein wird, können weder die Ärzte noch Dritte beantworten. Man kann es im Voraus nicht sagen.

Sollte die Klinik, die dich das erste Mal operiert hat, jetzt von einer möglichen Verbesserung nach dem zweiten Eingriff sprechen, könnte es sein, dass sie Erkenntnisse bei der ersten OP gesammelt hat, die sie jetzt einsetzen möchte.

Ich würde fragen, was genau gemacht werden soll und woran es liegt, dass nach dem ersten Eingriff noch Anfälle gekommen sind. Die Epilepsie-Chirurgen kennen Deine Vorgeschichte und können anhand dieser eine Prognose abgeben, auch wenn nur recht ungenau.

Ich bin 2006 am rechten Temporallappen operiert worden und bin den goldenen Mittelweg gegangen. Für mich hatte Anfallsfreiheit oberste Priorität. Aus dem Grunde habe ich Medikamente weiterhin genommen, sie schränken mich nicht ein, die Nebenwirkungen sind gering. Zwischendurch habe ich ganz gering reduziert, aber nur, um zu sehen, ob ein Ausdosieren eines Tages überhaupt möglich sein wird. Mir ist von vielen Neurologen berichtet worden, dass postoperative Anfälle hauptsächlich auftreten, weil die Patienten es zu eilig mit dem Absetzen der Medikamente haben.

Du bist fast 5 Jahrzehnte jünger als ich. Aus dem Grunde würde ich eine zweite Operation zulassen. Während in den meisten Kliniken aufgrund der Fallpauschale gerne operiert wird, habe ich in den Epilepsie-Zentren, die ich kennengelernt habe, was Operationen angeht, eher Zurückhaltung gespürt. Auch aufgrund des Risikos, das die Patienten bei dem Eingriff eingehen. Ich wünsche viel Erfolg.

Viele Grüße
Anton

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Die Informationen ersetzen auf keinen Fall eine professionelle Beratung oder Behandlung durch ausgebildete und anerkannte Ärzte. Die Inhalte können und dürfen nicht verwendet werden, um eigenständig Diagnosen zu stellen oder Behandlungen anzufangen.

Zweite Gehirn OP. Was würdet ihr an meiner Stelle machen?

Lizzy, Tuesday, 19.03.2024, 07:01 (vor 41 Tagen) @ M.

Guten Morgen M,

was den Hippocampus angeht, kann ich dich leicht beruhigen. Wir haben 2 davon. Fällt eine Region der Gehirnhälfte aus, übernimmt die andere Gehirnhälfte den Job. Das klappt nicht mit allen, aber beim Hyppocampus schon.

Mir wurde der rechte Hippocampus ganz entfernt, neben Teilen des Hyppothalamus und der Amygdala. Niemanden fällt etwas auf, ich komme durch das Leben!

Eine 5 %ige Chance auf Risiken sind jetzt noch nicht sooo rasend hoch.

Bei mir kamen die Anfälle auch wieder. Es hieß, ich wäre bei einer erneuten Op danach zu 90 % blind und wahrscheinlich ein Pflegefall. Der Epileptologe hat mir die Op schon gar nicht mehr "angeboten".

Bei dir, ich würde jetzt nicht unbedingt auf die Forschung bauen. Es dauert Jahre, bis ein neues Medi heraus kommt, das Interesse der Öffentlichkeit ist nicht so da wie bei z.B. bei Krebs, also gibt es auch weniger Gelder zur Forschung, das ist alles etwas auf Sand gebaut mit der Hoffnung auf später.

Du bist noch jung, dein Gehirn kann sich noch besser regenerieren.

Aber letztenendes, wie schon geschrieben wurde, keiner kann dir sagen, wie das alles ausgeht und ob eine erneute Op wirklich eine Hilfe ist. Die Alternative, wie eine kaputte Leber und auf ein Spenderorgan warten halte ich aber auch für schwierig.

Entscheiden kannst nur du selbst, was du für richtig hältst.

lg Lizzy

Zweite Gehirn OP. Was würdet ihr an meiner Stelle machen?

schaf059, Tuesday, 19.03.2024, 13:38 (vor 41 Tagen) @ M.

Hallo aus Hessen,
bei mir wurde vor 13 Jahren auch am linken Temporallappen ein sogenanntes Gangliogiom entfernt, welches bei mir 37 Jahre lang Grand Mal Anfälle ausgelöst haben. Die Dosierung der Medikamente wurde beibehalten und ich bekam auch nach zwei Jahren wieder Anfälle.

Die Epileptologen haben mir auch eine zweite OP vorgeschlagen. Ich hatte eigentlich keine Lust noch einmal das Ganze über mich ergehen zu lassen und habe deshalb nach Absprache mit den Fachleuten mir einfach eine gewisse Zeit gegeben die neue Art von Anfällen medikamentös in den Griff zu bekommen, zumal sich die Anfälle verändert und verringert haben.
Dabei habe ich mir ein gewisses Zeitlimit gesetzt um es medikamentös zu schaffen und dies hat auch geklappt. Mit anderen Worten bin ich nun 13 Jahre ohne Anfall, worüber ich sehr froh bin.
Ich nehme zwar auch eine recht hohe Dosis von Medikamenten und merke sicher auch die Nebenwirkungen, aber dies ist mir lieber als diese Änfälle....
Eine Immunisierung bestimmter Medikamente hatte ich allerdings vorher auch nicht.
Hat man dir gesagt, dass die Erfolgschance einer weiteren OP bei 5% liegt ??? Wie hoch ist das Risiko einer weiteren Immunisierung mit dem jetzigen Medikament ??

Mir hat es geholfen die Entscheidung Ja/Nein bezüglich einer zweiten OP einfach zeitlich in Schritte zu unterteilen. Mit anderen Worten 1-2 Jahre abwarten, ob und wie sich meine Anfälle entwickeln und dann weitere Entscheidungen bezüglich eine OP treffen.

Liebe Grüße
schaf059

Zweite Gehirn OP. Was würdet ihr an meiner Stelle machen?

M., Tuesday, 19.03.2024, 15:07 (vor 40 Tagen) @ M.

Hallo zusammen,

ich möchte mich von ganzem Herzen bei jedem von euch für die offenen Worte und die Ratschläge bedanken. Das gibt mir auf jeden Fall schon mal eine breitere Perspektive auf meine eigene Situation und hilft mir auch weiter, mich mal zu entscheiden.

Ich habe schon ein ziemlich ausführliches Gespräche mit einem Epileptologen, werde aber dann nochmal einen Neurochirurgen persönlich nach den einzelnen Aspekten fragen. Wie lange nimmst du dann schon insgesamt Antiepileptika, wenn ich fragen darf?

Es hat mich sehr gefreut, zu hören, wie ihr von euch trotz der Herausforderungen, Wege gefunden habt, eure Lebensqualität zu verbessern. Die Informationen über die Fähigkeit des Gehirns zur Regeneration und Anpassung, insbesondere im Hinblick auf den Hippocampus, hat mir auf jeden Fall weitergeholfen. Ich dachte, mit einem Hippocampus weniger, wäre das viel schlimmer.
Gab es aber trotzdem irgendwelche Auffälligkeiten in der Zeit nach der OP bei der Entfernung deines rechten Hippocampus? Und wie lange hat die Regeneration gedauert, bis du wieder arbeiten konntest?

Die verschiedenen Ansichten über den Wert von noch einer OP im Vergleich zur weiteren Medikation oder zur Abwägung der Risiken und Chancen sind für mich sehr aufschlussreich.
Glücklicherweise liegen die 5% "nur" auf den Risiken. Die Wahrscheinlichkeit auf eine komplette Heilung, um nie mehr Anfälle zu bekommen liegt zum Glück bei 70%.
Die Idee, Entscheidungen in zeitliche Schritte zu unterteilen und sich Zeit zu geben, die Entwicklung der Anfälle und mögliche Behandlungsoptionen zu beobachten, erscheint mir als ein guter Ansatz. Vielleicht werde ich auch noch ein bisschen warten.

Ich werde all eure Ratschläge und Erfahrungen mit in meine Überlegungen nehmen, während ich mich aber auch nochmal weiter von Ärzten beraten lasse und über die nächsten Schritte nachdenke.

Mich würde aber noch interessieren, wo ihr behandelt wurdet bzw. an welcher Klinik eure Operationen stattgefunden haben. Vielen Dank im Voraus. :)

Vielen Dank auch noch einmal an jeden von euch für die geteilten Erfahrungen und die Ermutigung.

Liebe Grüße,
Marco

Zweite Gehirn OP. Was würdet ihr an meiner Stelle machen?

schaf059, Tuesday, 19.03.2024, 19:56 (vor 40 Tagen) @ M.

Hi Marco,
ist es bei Dir der linke oder rechte Hippo…..?? Ich nehme bereits seit 45 Jahren Antiepileptika und komme damit gut zurecht....auch muss ich diese weiterhin nehmen, da man in der Uni Freiburg davon ausgeht, dass ich ohne Medikamente weiterhin Anfälle bekommen würde. Dies haben die EEG Monitorings nach der Operation ergeben. Hast Du denn nach der OP weitere Monitorings gehabt ?? In Freiburg hatte ich weitere Monitorings, was ich auch sehr gut fand.

Ich bin mit Freiburg recht zufrieden und hatte dort sogar zwei OPs am Kopf. Die erste um das Gewächs am linken Schläfenlappen zu entfernen und die zweite OP kam ca vier Wochen später, da sich bei mir eine Entzündung im Kopf gebildet hat.
Bei der Entzündung war ich nicht ganz unschuldig, da ich gegen die Kopfschmerzen nach der ersten Operation Eis direkt aus dem Gefrierschrank auf die Wunde gelegt habe...dies war ein Fehler, welcher mir nie wieder passieren wird;-)

Darf ich fragen Marco, welches Medikament Du nimmst ??? Ich nehme Briviact (Nachfolger von Keppra).

Mit der Uni Freiburg bin ich zufrieden unter anderem deshalb, weil man sich damals wirklich viel Zeit für mich als Patienten genommen hat.

Ich leite die Epilepsie Selbsthilfe in Darmstadt und wenn Du möchtest, kannst Du mich gerne über die Mailadresse der Darmstädter SHG anschreiben um die Telefonnummern auszutauschen. Ich kenne in unserer SHG eine junge Frau welche dort auch im Vorstand ist und operiert worden ist. Auch tauschen wir uns in der Gruppe oft über Zoom aus.

Liebe Grüße aus Hessen
Michael (schaf059)

Zweite Gehirn OP. Was würdet ihr an meiner Stelle machen?

Lizzy, Wednesday, 20.03.2024, 06:43 (vor 40 Tagen) @ M.

Guten Morgen Marco,

naja, ganz ohne eine Spur geht das nicht an einem vorbei. Aber du darfst nicht vergessen, das sind immer ganz individuelle Geschichten. Nur weil es bei dem einen so war, muss es bei dir nicht auch so sein.

Ich war nach der Op kognitiv etwas daneben, mir blieb ein Wortschatz von etwa 8- 10 Wörtern und mit den Emotionen auf Gesichtern oder auch nur die eigenen Gefühle spüren hatte ich es auch nicht mehr so. Ich kam in eine Reha für 6 Wochen und sprach wieder, kognitiv ging auch irgendwann, letzteres steckt mir noch etwas in den Knochen. Was den Hyppocampus angeht, damit wurde mir ein Orientierungssinn entfernt. Manchmal ist es schwer, aber mit Google Maps habe ich noch immer von A nach B gefunden.

Arbeiten war nicht, aber nach 8 Wochen war ich wieder in der Schule.

Ich wurde in Vogtareuth in der (inzwischen) Schönklinik operiert.

Du musst dich ja zu nichts drängen lassen. Mach, was sich für dich richtig anfühlt.

lg Lizzy

Zweite Gehirn OP. Was würdet ihr an meiner Stelle machen?

Christian, Sunday, 24.03.2024, 14:43 (vor 35 Tagen) @ M.

Hallo,
6 Jahre hast du die Epilepsie erst? Ich lebe seit über 30 Jahren damit, habe schon sämtliche Sorten an Medikamenten durch und vor über 3 Jahren dann eine OP gemacht. Mir wurde das vorher auch nie vorgeschlagen, die haben mir damals 75% Besserung versprochen. Jedenfalls habe ich für mich gleich nach der OP gesagt "wenn's beim ersten Mal nicht klappt, eine 2. OP fällt aus"! Dann lieber Tabletten schlucken. Die Risiken für eine 2. OP sind einfach zu hoch, ein kleiner Fehler und man ist für immer ein Pflegefall.
Aus den 75% ist natürlich nichts geworden, also leere Versprechungen. Es ist zwar besser geworden, aber nicht weg. Gerade mal eine kleine Tablette wurde abgesetzt und eine andere reduziert. Vor kurzem ist dann wieder eine neue Sorte dazu gekommen, mit dem Spruch zwei andere Sorten sollen abgesetzt werden. Das kann aber gar nicht funktionieren, ich bin ja jetzt nicht mal anfallsfrei. Wie wollen die dann zwei Sorten absetzen? Wenn was neues dazu kommt geht das immer solange gut bis sich der Körper auch daran gewöhnt hat und die Epilepsie wieder stärker wird.

Christian