Epilepsie? (Achtung lang...)

Cocolady ⌂ @, Wednesday, 15.03.2006, 22:05 (vor 6623 Tagen)

Hallo!
Ich bin zum ersten Mal auf dieser Seite und hoffe ein wenig Klarheit zu bekommen.

Es geht in meinem Beitrag nicht um mich selbst, sondern um meinen Freund (21). Wir sind jetzt seit etwas über einem Jahr zusammen und ich habe im August letzen Jahres das erste Mal einen "Anfall" bei ihm mitbekommen. Ich wusste zwar, dass er unter "Epilepsie" leidet, aber hatte vorher noch keinen Anfall bei ihm mitbekommen.

Ich fange einfach mal an zu erzählen...
Wir saßen gerade im Flieger in den Urlaub, als mein Freund ein paar Minuten nach dem Start zu mir gesagt hat, dass er Herzrasen hätte und es ihm nicht gut ginge. Er wolle mir keine Angst machen, aber das letzte Mal habe er danach einen Anfall bekommen. Er würde das aber vielleicht noch "in den Griff bekommen". D.h. wenn er es früh genug bemerkt und ich darauf konzentriert, kann er einen Anfall "unterdrücken".
Sein Zustand wurde jedoch nicht besser, sondern verschlechterte sich in der nächsten halben Stunde. Er sagte, er habe („wie immer“) mittlerweile dieses Stechen im Kopf. Wie ein Pfeil, der von der einen zur anderen Seite durch den Kopf gestochen wird. So hat er es zumindest beschrieben. Dabei wurde das Herzrasen immer schlimmer. Er sagte, er habe das Gefühl, als ob seine Pumpe gleich aus der Brust springt.
Da ich wusste, dass er den Anfall nicht mehr aufhalten konnte, habe ich eine Stewardess geholt und ihr die Situation erklärt. Sie sagte, er solle sich melden, „wenn es soweit ist“ bzw. „wenn es nicht mehr geht“. Nachdem seine Beine und Arme immer unruhiger wurden (noch kein wirkliches Zittern, aber hektisches bewegen) und er begonnen hatte, die Finger leicht zu verkrampfen, gab ihm die Stewardess eine Sauerstoffmaske und sagte zu mir, dass wir nicht viel machen können. Der Anfall würde kommen und ich solle darauf achten, dass er sich nirgendwo den Kopf stößt und sich nicht auf die Zunge beißt.
In den weiteren 15 Minuten verschlechterte sich sein Zustand insofern, dass sich seine Beine, Arme und Finger (im sitzen) völlig verkrampften. Auch sein Gesicht verzog sich, sodass er nicht mehr sprechen konnte. Er stemmte sich immer wieder aus seinem Sitz und begann vor Angst, Schmerz und Krampfen an zu weinen. Später hat er mir erzählt, dass er dachte, er müsse sterben, weil sein Herz versagen würde und er wegen den Verkrampfungen keine Luft mehr bekommen würde! So einen schlimmen Anfall hätte er sein langem nicht gehabt!
Nach der (ich nenn es mal) „aktiven“ Zeit des Anfalls von bestimmt 20 Minuten hat er langsam aufgehört zu zittern, war aber noch total verkrampft und konnte sich (u.a. vor Schmerzen) nicht bewegen.
Am Zielort angekommen bekamen wir eine Frühzeitige Landegenehmigung und es wurde ein Krankenwagen zum Flieger geschickt. Die Ärzte spritzen ihm ein Mittel (keine Ahnung was!) in den Po-Muskel und trugen ihn in einer art mobilen Rollstuhl in den Krankenwagen. Dort wurde er auf die Liege gelegt und in die Flughafenambulanz gefahren. In der Ambulanz dauerte es noch ein paar Minuten bis sich die Verkrampfungen lösten und er wieder voll zu sich kam. Er sagte zwar, er wäre die ganze Zeit „anwesend“ gewesen, aber auf mich machte er erst wieder in der Ambulanz einen wirklich ansprechbaren Eindruck. Nachdem sich die Krämpfe völlig gelöst hatten, war er zwar total erschöpft und hatte Muskelkater, aber konnte wieder vorsichtig laufen. Den Rest des Tages hat er allerdings geschlafen.

So, das war nun soweit der Vorfall. Ich hoffe, ihr konntet mir folgen?
Bevor ich zu meiner/meinen Frage/n komme, sollte ich vielleicht noch ein paar allgemeinere Dinge erwähnen.
- Mein Freund bekommt solche Anfälle äußerst unregelmäßig. Vor dem Vorfall, den ich beschrieben hatte, hatte er wohl seit über einem halben Jahr keinen Anfall mehr. Und seitdem auch nicht wieder.
- Er krampft immer nach dem gleichen Schema: Herzrasen, Stechen im Kopf wie ein Pfeil von der einen zur anderen Seite, beginnendes krampfen in Armen und Beinen und Händen, dann beginnt er zu zittern und verkrampfen immer mehr zur Körpermitte, bis sich im schlimmen Fall auch der Oberkörper und das Gesicht verkrampfen.
- Die ersten Krämpfe hat er wohl schon seit seiner Kindheit. Seit wann, weiß ich nicht ganz genau.
- Nach seinen Angaben bekommt er einen Krampf nicht in besonderes Stress-Situationen, sondern „einfach so“. Er hatte mal einen im Bus nach einer Party (seine Eltern hatten wieder nicht geglaubt, dass es Epilepsie war, sondern, dass er Drogen genommen hätte…) oder einen einfach in seinem Zimmer, als er am Schreibtisch saß.
- Er hat noch nie Medikamente genommen, weil er a) so unregelmäßig krampft und b) alle Untersuchungen (EEG, EKG, CT) so gut wie ohne Befund sind. Er hat lediglich ein vergrößertes Ventrikel in der einen Gehirnhälfte.
- Was vielleicht auch damit zu tun hat, ist dass er seit seiner Grundschulzeit fast täglich am Schreibtisch sitzt und „zappelt“. Er sitzt völlig gerade (aufrecht) die Beine unterm Stuhl, die Arme im rechten Winkel zum Körper. Er bewegt dann die Hände und die Arme in schraubenden Bewegungen, wobei sie völlig angespannt sind. Er macht das nie vor anderen Leuten, auch vor mir oder seinen Eltern nicht. Er kann aber auch nicht beeinflussen, wann er zappelt und wie lange. Es kann wohl bis zu 3 Stunden am Stück gehen.

Sooo, wenn ihr noch da seid und meinen ganzen Roman gelesen habt, komme ich jetzt zu meinen Fragen…

1) Glaubt ihr, mein Freund hat überhaupt eine Epilepsie? Ich stehe voll und ganz hinter ihm, aber z.B. seine Mutter sagt öfters (indirekt), dass sie glaubt, dass er gar keine Epilepsie hätte, sondern das irgendwas anderes wäre. So nach dem Motto, er würde sich da in was hineinsteigern. Auch wurde ja von keinem Arzt die Diagnose gestellt.
2) Wenn ja, was für eine Art ist das? Hat jemand von euch einen ähnlichen Ablauf? Ich kenne mich leider bisher kaum mit dem Thema aus. Was kann man therapeutisch machen?
3) Wie kann man das „zappeln“ einordnen?
4)) Mein Freund hat mittlerweile „aufgegeben“, von Arzt zu Arzt zu laufen. So wie es aussieht, will er mittlerweile gar nicht mehr den wirklichen Grund für das Krampfen etc wissen. Kennt ihr vielleicht andere – neuere Methoden, um eine Epilepsie überhaupt erstmal zu diagnostizieren oder auszuschließen?
5) Wir fliegen im August für ein halbes Jahr nach Australien. Ich habe jetzt Angst, dass er im Flieger (wegen des zusätzlichen Druckes auf das Gehirn) wieder einen Anfall bekommt. Oder wenn wir in Australien sind. Lag der Anfall im Flieger evtl. wirklich am Druck? D.h. ist meine Angst begründet?
6) Kennt ihr ein Forum/eine Seite wo man seine Fragen an Experten richten kann?

Oh man. Es tut mir leid, wenn ich jetzt wirklich viel geschrieben habe, aber ich wollte euch möglichst viele Infos geben, damit ihr die Situation nun hoffentlich einschätzen könnt!

Ich dank euch jetzt schon mal für eure Hilfe, auch wenn es nur eine kleine ist!

Lieben Gruß, Corinna


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