Kinderwunsch Medikamentenumstellung

Sanktus Achzehn, Tuesday, 24.10.2023, 15:56 (vor 186 Tagen) @ TanjaD17

Hallo Tanja,

an deiner Stelle würde ich in dieser Reihenfolge vorgehen:

1. Einen Psychotherapeuten suchen und mit seiner Hilfe, die Ängste, die du hast, aufarbeiten. Die scheinen nämlich sehr tief zu sitzen und werden egal, welche Schritte du künftig anstreben wirst, massiv deinen Weg beeinflussen. Ängste kann man nicht wegzaubern, aber in den Griff bekommen, so dass sie einen nicht mehr beherrschen, und mir scheint, das wäre in deinem Fall auf jeden Fall erstrebenswert.

2. Ein erneuter Versuch, die Medikamente abzusetzen. Epilepsien im Kindes- und Jugendalter können sich verlieren, wenn man älter wird. Entsprechend besteht durchaus eine gute Chance, dass du eigentlich gar keine Medikamente mehr benötigst, insbesondere, da du ja wohl bereits seit Jahren anfallsfrei bist. Natürlich ist das keine Garantie, aber genau deswegen wird so etwas ja stationär gemacht, damit man direkt eingreifen kann, sollten doch wieder Anfälle auftreten. Im Falle eines Anfalls hättest du auch eine Info, die dir deine weiteren Schritte klärt: "Ohne Medikamente geht es nicht, welche also sind die besten für diese Situation?" Du wüsstest dann einfach, woran du bist. Sollte sich jedoch zeigen, dass du die Anfälle tatsächlich nur im Jugendalter hattest, wäre das wiederum die ideale Ausgangsbasis für deinen Kinderwunsch, denn ganz ohne Medikamente wäre es natürlich sowohl für dich als auch das Kind am besten.

Wenn dir das (noch) nicht möglich sein sollte, bleibt zunächst die Wahl zwischen "weiter mit dem bisherigen Medikament" oder "wechseln". Topimarat ist m. W. nicht während der Schwangerschaft geeignet, d. h. damit würdest du auf ein Kind verzichten müssen. Bliebe also ein Tablettenwechsel. Bei dem kann dir aber niemand etwas garantieren. Medikamente kann man nur individuell ausprobieren und schauen, was dabei herauskommt. Der Eine hat kaum Nebenwirkungen und keine Anfälle mehr, der nächste hat massig Nebenwirkungen und immer noch Anfälle und eine ganze Menge weiterer Leute sind irgendwo dazwischen. Grundsätzlich ist es so, dass Grand-Male-Anfälle mit am besten in den Griff zu bekommen sind. Andere Anfallsformen sind da weitaus problematischer. Die Chance ist also relativ groß, dass dir auch das Lamotrigin helfen wird, was während der Schwangerschaft definitiv besser geeignet wäre. Nur wie gesagt: Garantieren kann dir niemand etwas. Es trifft auf viele Menschen zu, aber ob du zu ihnen gehörst, kannst du nur ausprobieren und schauen, was passiert. Entsprechend: Ja, es kann sein, dass das neue Medikament nicht hilft. Aber auch: Es kann sein, dass es hilft. Nicht sehr hilfreich, was? ;-)

Bei einer Umstellung musst du nicht wirklich etwas beachten, von Dingen wie ordentlicher Medikamenteneinnahme, regelmäßigem Tagesaublauf und dergleichen mal abgesehen, aber das ist ja so oder so wichtig. Da du unsicher bist und Angst hast, lasse eine Medikamentenumstellung am besten stationär durchführen. Dort bist du in den besten Händen, weil ständig unter Beobachtung und notfalls sofort jemand zur Stelle sein kann.

Ansonsten überlege dir am besten in Ruhe, wie wichtig dir ein Kind ist. Was meinst du, wie es dir ohne gehen wird? Warum wäre das so? Was wäre mit Kind (erhofft) anders? Fragen solcher Art. Überlege auch, wie wichtig der Job ist und vor allem, ob es für dich berufsmäßig Alternativen gäbe. Vielleicht nicht kurzfristig, aber langfristig, ggf. über eine Umschulung, Weiterbildung usw. Es gibt jede Menge Jobs, für die man kein Auto benötigt, auch der Alltag kann ohne Auto funktionieren, sofern man nicht gerade im hinterletzten 3-Häuser-Dörfchen wohnt. Eine Therapie zum Aufarbeiten der vergangenen, negativen Erfahrungen wird dazu nicht schaden, auch als Hilfe bei der Entscheidungsfindung.

Weil du fragtest: Ich habe schon massig Tablettenumstellungen hinter mir, bin inzwischen mit allen Medikamenten durch (und das waren eine ganze Menge). Diese Umstellungen waren aber, bis auf eine Ausnahme, immer sehr leicht zu entscheiden, da ich meistens nicht anfallsfrei war, so dass es egal war, ob ich jetzt dieses oder das nächste Medikament nehme. Einzig, als ich tatsächlich mal eine deutliche Verbesserung erzielte, stand ich vor ähnlich schweren Entscheidungen wie du, denn ich hatte zwar weniger Anfälle, aber dafür tonnenweise Nebenwirkungen. Was macht man in dem Moment? Wechseln? Da ich eine Anfallsform habe, die eher schlecht in den Griff zu bekommen ist, war die Chance groß, dass ein anderes Medikament tendenziell nicht helfen wird. Aber den ganzen Tag benebelt herumlaufen und gerade nur noch das Nötigste gebacken bekommen, ist jetzt auch nicht gerade das, was man sich unter "leben" vorstellt. Insofern: Ich kann gut verstehen, dass du dich da gerade etwas "quälst" und vermutlich ständig von ja zu nein wechselst. Gib dir Zeit, überlege alles gut, und irgendwann wirst du bereit sein für eine Entscheidung, die Ärmel hochkrempeln und sie durchziehen.

Gruß,
Sanktus Achzehn


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