Dosiserhöhung Orfiril

Sanktus Achzehn, Thursday, 02.11.2023, 09:26 (vor 177 Tagen) @ Maarkus

Hallo Maarkus,

bei Epilepsie gibt es leider nicht das eine Medikament, das hilft. Man hat nur eine große Auswahl an Medikamenten, ein paar Erfahrungswerte, welche Medikament vielen (aber eben nicht unbedingt allen) Menschen bei dieser und jeder Anfallsart helfen (das gibt ggf. so ein bisschen die Reihenfolge vor), und dann kann man schlussendlich nur ausprobieren. Ein Medikament leicht eindosieren, beobachten, wenn es nicht hilft, erhöhen, beobachten, ggf. noch mal erhöhen, beobachten, und wenn das nicht wirklich eine Verbesserung brachte: wechseln. Das macht man so lange, bis man - im Idealfall - die Anfallsfreiheit erreicht hat. Im nicht idealen Fall ist man irgendwann mit allen durch und es hilft leider keins. Und ja, auf diesem Weg liegen leider sehr viele unschöne Nebenwirkungen und ggf. ein paar enttäuschte Hoffnungen herum, aber ein guter Neurologe wird immer auch die Lebensqualität insgesamt im Blick haben. Schränken die Nebenwirkungen mehr ein als die Anfälle, bringt es dem Patienten ja nicht wirklich etwas für den Alltag. Dann wird der Arzt einen Wechsel vorschlagen.

In deinem Fall stellt sich ja auch die Frage, ob du nicht lieber ein neues Medikament ausprobieren möchtest, statt täglich mit diesen Nebenwirkungen zu leben. Und dein Arzt hat schon recht: 2 Anfälle im Jahr sind definitiv eine Steigerung zum Stand vorher. Da verändert sich offensichtlich etwas, und wenn du Pech hast, bleibt es auch nicht bei den 2 Anfällen, sondern es werden mehr pro Jahr. Außerdem, und auch da hat dein Arzt durchaus Recht: Das Ziel ist ja die Anfallsfreiheit. Wenn ihr die erreichen könnt, mit einem Medikament, das du gut verträgst, das wäre doch super, oder? Ob es das Medikament gibt, das kannst du halt nur durchs Ausprobieren herausfinden. Solltest du irgendwann einmal alle Medikamente durchprobiert haben, die es für dich gibt, und es hilft tatsächlich keins, dann kannst du immer noch mit den Anfällen leben. Vorher aber solltest du schauen, ob es nicht doch etwas gibt, dass dir die Lebensqualität insgesamt verbessert. Denn die Anfälle fordern den Körper ja durchaus und können auch ihre Folgen haben. Das muss nicht sein.

Also, tief Luft holen und Entscheidung treffen: Kannst du mit den Nebenwirkungen leben? Dann beobachte, wie sich die Anfälle verhalten. Kannst du nicht mit den Nebenwirkungen leben? Dann wechsle und schaue, ob das neue Medikament besser wirkt und auch verträglicher ist.

Was übrigens eventuell auch sein könnte: Du schreibst, die Erhöhung war "vor ein paar Wochen". Je nachdem, wie viele Wochen sich konkret dahinter verbergen, bist du ggf. noch in der "Eingewöhnungsphase". Oft treten in der ersten Zeit Nebenwirkungen deutlich stärker auf, bis sich der Körper an die neue Dosis gewöhnt hat. Wenn die Erhöhung also vielleicht grad mal zwei Wochen her ist, dann könnte es auch sein, dass der psychische Anteil, den du jetzt verspürst, ggf. wieder verschwindet bzw. erträglicher wird.

Da du fragtest: Ich schreibe dir das als jemand, der selbst mittlerweile alle möglichen Medikamente durch hat. Ich kenne also dieses nervige rein und raus, neue Nebenwirkungen, ggf. veränderte Anfälle usw. sehr gut. Aber ich bin halt krank bzw. behindert, das kann ich nicht ändern. Auch, wenn ich zwischendurch gerne mal was an die Wand geworfen hätte. Das ändert aber leider nichts. Ich hab's versucht. ;-) So nervig ich das gerade nach all den Jahren inzwischen finde, und so gut ich auch den Gedanken "dann lebe ich halt mit den Anfällen" kenne: Ich würde auch das nächste Medikament ausprobieren. Denn die Anfälle sind jetzt auch nicht grad der Renner - und das nächste Medikament hilft aber ja vielleicht und hat keine oder akzeptable Nebenwirkungen. Das weiß ich aber halt erst, wenn ich es ausprobiert habe.

Gruß,
Sanktus Achzehn


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