Wie fühlt sich ein epileptischer Anfall an?

Stefan Bast, Thursday, 07.12.2023, 19:37 (vor 142 Tagen)

Frage: Wie fühlt sich ein epileptischer Anfall an?

Der Grund für die Frage: Ich arbeite im ambulanten Dienst, und einer meiner Patienten ist ein 7-jähriger Junge, dessen Mutter wir bei der regelmäßigen Verabreichung der Epilepsie-Medikamente unterstützen sollen.

Bisher bekam er zweimal täglich 10 ml Vimpat, die er mit der Spritze in den Mund bekam. Er fand das alles ziemlich doof, versuchte gerne mal wegzulaufen und protestierte lauthals "Ich muss das nicht nehmen!", war aber wenigstens für Bestechung zugänglich. Ein Bonbon, oder ein Mini-Tütchen Gummibären in die Luft gehalten, ihm sagen, dass er auf die Süßigkeiten schauen soll und nicht auf die Spritze mit dem Vimpat klappte meistens, und wenn er nen extrem widerborstigen Tag hatte, blieb immer noch der Powermove anzudrohen die Süßigkeiten statt dessen einem seiner Geschwisterchen zu geben.

Das Problem ist, er ist gerade aus dem Krankenhaus zurück, das Vimpat ist nicht mehr stark genug, das Mittel wurde umgestellt. Ich habe den Medi-Plan noch nicht gesehen, deswegen weiß ich noch nicht genau wie das neue Mittel heißt, aber nach den Kollegen ist es knallrot und wohl ziemlich bitter. Im Krankenhaus wurde ihm das Mittel wohl verabreicht, während ihn vier Pfleger festhielten, und ja.... das ist eine Methode, die wir als ambulanter Dienst weder verwenden können, noch wollen.

Ich habe die ernsthafte Befürchtung, dass mit Bestechung nichts zu wollen ist, wenn er das Mittel jetzt als geschmacklich widerlich wahrnimmt, zudem ist er durch die Behandlung im Krankenhaus wohl traumatisiert, assoziiert das Mittel damit, und glaubt, wir wollen ihn vergiften.

Ich habe jetzt die schmale, winzige Hoffnung, dass er, seit wir ihn das erste Mal versorgt haben, in der Zwischenzeit ja zwei Jahre älter geworden ist, und, vielleicht, bitte bitte lieber Gott, ist er ja in der Zwischenzeit das kleine bisschen reifer geworden, dass es jetzt funktioniert, an seine Einsicht zu appellieren.

Jetzt brauch ich aber selbst im besten aller Fälle nem kleinen Buben nicht mit Langzeitrisiken von Epilepsie zu kommen, das geht auf jeden Fall meilenweit über seinem Kopf vorbei. Am ehesten scheint mir noch möglich ihm zu sagen, "Hey, deine Anfälle, du erinnerst dich? Dieses Zeug hilft dagegen, dass sie weniger werden!"
Jetzt bin ich aber glücklicherweise selbst kein Epileptiker, dummerweise heißt das aber auch, dass ich keine Ahnung habe, wie sich ein Anfall aus der Innenperspektive anfühlt, wieviel davon überhaupt in Erinnerung bleibt, und was an so einem Anfall im Erleben unangenehm genug ist, um einen kleinen Jungen zu überzeugen lieber ein wirklich ekliges Medikament zu sich zu nehmen, um weiter Anfälle zu vermeiden.

Ich hab selber die nächsten Tage frei, die Kolleginnen wollen ein wenig damit experimentieren, ob sie das Mittel irgendwie mit einem Getränk mischen können, damit er es nicht ganz so eklig findet.
Aber letzten Endes, wenn wir keinen Weg finden ihm das Mittel zu verabreichen wird es nur die Alternativen geben ihn in eine Institution einzuweisen, die eine regelmäßige zwangsweise Verabreichung sicherstellen kann, oder der Entwicklung der Epilepsie untherapiert ihren Lauf zu lassen.

Falls jemand irgendeine andere hilfreiche Idee hat, immer her damit.


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