Epilepsie und Angst

spacelad, Schweiz, Monday, 25.04.2022, 18:46 (vor 731 Tagen) @ Ana

Ciao Ana

Wie oft hast du Anfälle?
Was ist deine Diagnose?

Ich habe das Glück, dass meine Auren immer sehr früh beginnen. Min. 30 Minuten, bevor ich die Kontrolle verliere. Da ich generalisierte Epi habe, ist auch der Beginn der Aura immer unterschiedlich. Meine Anfälle können von jeder Hirnregion ausgehen. Ich kann mich zu Beginn steif fühlen, mir ist heiss, ich habe Schwierigkeiten beim Sprechen oder Hören. Es kann auch mit Sehstörungen, Gerüchen, Kribbeln oder depressiven Gefühlen beginnen. Allmählich werden die Auren stärker weiten sich aus. Es entwickeln sich Mustern, die für mich unverwechselbar geworden sind: Etwa eine halbe Stunde bevor ich ohnmächtig werde, sehe ich etwas wie Regen vor meinen Augen und habe ein Rauschen in den Ohren. Bin ich mit dem Auto unterwegs, fahre ich bei den ersten Anzeichen ab der Strasse. Bin ich am fliegen informiere ich an diesem Punkt meinen Kollegen damit er übernehmen kann. Noch später spüre ich immer eine seltsame, unstimmige Euphorie und gleichzeitig das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen.

An diesem Punkt (etwa 10 Minuten) lege ich mich immer hin, wenn ich kann. Vorzugsweise in meinem Bett, wo ich mich am sichersten fühle. Bei der Arbeit hat mir mein Arbeitgeber erlaubt, in diesem Fall den Ersthilferaum zu benutzen, in dem sich eine Liege befindet. Wenn möglich, lege ich mich auf den Boden, wenn ich irgendwo unterwegs bin. Wenn das nicht möglich ist, suche ich mir einen sicheren Platz zum Sitzen. Lege das Gepäck so neben mich, dass ich nicht kippe oder so. Deshalb bin ich seit Jahren nicht mehr gestützt worden.

Wenn ich so eingerichtet bin, habe ich noch ein paar Minuten Zeit und versuche, den Menschen um mich herum zu erklären, was folgen wird und was zu tun ist. Oder ich telefoniere kurz mit meinem Chef und sage ihm, dass ich nicht zur Besprechung kommen kann. Oder ich rufe zu Hause meinen Sohn und sage ihm, dass ich bald ins "Traumland" wechseln werde. Je nach Art der Aura/Ausgangspunkt bin ich nicht mehr in der Lage, dies zu tun. Aber ich versuchs.

Wenn noch Zeit ist und ich dazu in der Lage, versuche ich mir selbst das Notfallmedikament zu verabreichen. Möglichst, kurz bevor ich die Kontrolle verliere. Ich habe gelernt, dass ich diesen Zeitpunkt bis zu einer Minute hinauszögern kann, wenn ich versuche, mich intensiv auf etwas zu konzentrieren.

Das klingt jetzt vielleicht alles sehr beeindruckend für dich. Deshalb möchte ich dir sagen, dass ich, als ich jünger war, meine Auren auch meistens zu spät bemerkt habe. Auch heute fängt das alles sehr diskret an und ist anfangs leicht zu unterdrücken/übertönen. Aber ich habe im Laufe der Jahre gelernt, die Muster früher zu erkennen. Vor allem mein Epitagebuch hat mir geholfen, diese Muster überhaupt erst zu finden.

Mein Sohn, hat die gleiche Form von Epi wie ich, aber deutlich stärker. Er erlebt auch Auren, erkennt sie aber meist erst zu spät. Er stützt deshalb sehr oft. Sein Autismus macht die Wahrnehmung der Auren als solche, sicher auch nicht leichter.

Seien also nicht enttäuscht, wenn du es nicht wie ich erlebst. Einerseits braucht es etwas Übung und Erfahrung. Andererseits haben nicht alle Epileptiker solche Auren wie ich. Letztlich ist jeder anders. Aber ich würde versuchen, lange Zeit penibel genau zu notieren, was du vor einem Anfall erlebst. Jedes Detail kann wichtig sein.

Ich hoffe das hilft dir ein wenig?

Stefan

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Ich lebe mit meiner Epilepsie und nicht mehr gegen sie.


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