Epi-Betroffene in der Ukraine

spacelad, Schweiz, Thursday, 28.04.2022, 09:22 (vor 720 Tagen)

Hallo

Vorgestern hatte ich in der Pause ein langes Gespräch mit einem ukrainischen Arbeitskollegen von mir. Er ist ein Expat und arbeitet seit etwa 12 Jahren hier bei uns. Er ist mit einer Russin verheiratet und hat zuvor viele Jahre in Russland für Roskosmos gearbeitet. Viele seiner Verwandten leben in der Ostukraine, wo er auch aufgewachsen ist.

Der Grund, warum er mir von seiner Familie in seiner Heimat erzählte, war folgender: Er hat einen Neffen, der 19 Jahre alt ist und an Epi leidet. Dank guter Medikamente sei er seit Jahren anfallsfrei gewesen. Trotz seiner Krankheit meldete er sich in den ersten Tagen des Krieges freiwillig zur ukrainischen Armee. Mehrere Wochen lang half er in den Logistikverbänden bei der Verteidigung seines Landes, gegen den Tyrannen in Moskau. Jetzt aber, sei sein Medikamentenvorrat aufgebraucht, und er habe in den letzten zwei Wochen insgesamt ca. 15 schwere GM gehabt. In der Ukraine sind nicht nur Epi-Medikamente kaum noch erhältlich, sondern alle Medikamente. Nicht einmal die Armee ist derzeit in der Lage, die von ihm benötigten Medikamente zu organisieren. Das betrifft auch viele andere chronisch kranke Menschen, die an anderen Krankheiten leiden.

Was für eine Hölle macht dieser junge Mann gerade durch? Neben der Angst um Leib und Leben sowie der Angst vor einer sehr ungewissen Zukunft, habe er nun auch grosse Angst vor dem nächsten Anfall. Er habe Angst zu stürzen und sich zu verletzen und so. Bei einer ernsthaften Verletzung wäre wiederum ungewiss ob ihm adäquat geholfen werden könnte.

Das alles hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Dieses Gespräch mit meinem Kollegen hat mich sehr bewegt und es geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Es relativiert viele Probleme, die man mit der eignen Epilepsie hat. (Siehe: https://forum.epilepsie-online.de/index.php?id=91046 )

Ich frage mich immer wieder, wie wir Epilepsie-Betroffen in Mitteleuropa - denen es im Vergleich meist sehr gut geht - unseren Leidensgenossen in der Ukraine aktuell konkret helfen könnten? Wenn es im Moment so aussieht, dass nicht einmal das IKRK helfen kann, was kann man dann derzeit tun?

Wer hat eine konkrete Idee?

Stefan

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Ich lebe mit meiner Epilepsie und nicht mehr gegen sie.


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